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Drei Fragen an...

Anke Gasch und Stefanie Hohn zum Thema Schreibblocken

Wie entstehen eigentlich Schreibblockaden?

Autogrammbild StefanieHohnStefanie: Zunächst einmal möchte ich klarstellen, was „Schreibblockade“ überhaupt meinen kann. Fast jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, vor dem leeren Blatt, der leeren Bildschirmseite zu sitzen und nicht zu wissen, wie der erste oder der nächste Satz lauten soll. Wenn zeitlicher Druck dazu kommt, steigt der Stresspegel und dann geht oft erstmal gar nichts mehr. Hier haben wir schon einen ersten Auslöser für die Blockade: zu hoher Druck, Stress, zu hoher (Selbst-)Anspruch.

Die meisten Schreibblockaden sind „nur“ Teilblockaden, bei denen wir durchaus in der Lage sind zu schreiben – Briefe, Blogposts, Zeitschriftenartikel, vielleicht sogar Kurzgeschichten. Aber sobald wir uns ans Manuskript setzen – vielleicht sogar mit einer Deadline im Nacken – herrscht Leere im Kopf. Solche Blockaden passieren immer wieder. Mein Unterbewusstsein signalisiert mir damit: Etwas stimmt nicht, so darfst du nicht weitermachen.

Erfahrungsgemäß liegen die Ursachen in diesen Fällen sehr oft im handwerklichen Bereich. Vielleicht ist mir meine Figur noch fremd, und ich muss sie erst besser kennenlernen, um zu wissen, wie sie handeln soll. Oder meine Geschichte braucht mehr Planung. Vielleicht habe ich mich bis Seite 80 treiben lassen und stelle plötzlich fest, dass ich noch nicht ausreichend recherchiert habe. Oder die Handlung hat eine Wendung genommen, die mich in eine Sackgasse führt.

Manchmal aber gehen die Ursache tiefer und haben mit mir selbst zu tun. Und hier sind die Gründe so vielfältig wie wir Schreibende es sind. Vielleicht begegne ich mit meiner Geschichte einem Teil von mir selbst, dem ich mich lieber nicht zuwenden möchte? Einer schmerzhaften Erinnerung, der zu stellen ich mich (noch) nicht bereit fühle? Die Blockade kann ein wichtiges Signal an mich sein: Schreib nicht darüber hinweg. Sieh hin! Wende dich dir selbst zu!  

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass uns Themen, die wir gern wegschieben möchten, im Schreiben immer wieder begegnen werden. Solche Themen können uns die Freiheit nehmen, uns mit anderen, „leichteren“ Ideen zu befassen. Wenden wir uns ihnen nicht zu, wenn sie „dran“ sind, entstehen manchmal auch länger währende oder sogar totale Blockaden.

Als totale Schreibblockade würde ich einen Zustand beschreiben, bei dem wir gar nicht mehr in der Lage sind zu schreiben. Sobald wir uns an den Schreibtisch setzen, herrscht Nebel im Kopf oder der Kopf schmerzt, der Rücken auch, der ganze Körper schreit: Ich kann nicht! Oder vielleicht besser: Ich will nicht! So etwas hat in der Regel mit Erschöpfung zu tun, mit extremen inneren Widerständen. Die sind ein echtes Warnsignal und brauchen meist mehr als eine kurze Auszeit.

Was kann man eurer Erfahrung nach dagegen tun?

Foto Anke Gasch froehlich lachend Treppe c Kerstin KruegerAnke: Als erste Maßnahme, wenn es beim Schreiben stockt, empfehle ich immer gern meinen Allzeit-Favoriten, das Freewriting, das auch als Automatisches Schreiben bekannt ist. Dafür brauchst du einen Zettel, einen Stift, einen Ort, an dem du dich wohlfühlst und 5 bis 15 Minuten Zeit. Auf den Zettel schreibst du in die Mitte oder als Überschrift die Fragen: „Warum komme ich beim Schreiben gerade nicht weiter? Und was kann ich dagegen tun?“ Dann atmest du ein paarmal tief ein und wieder aus. Deine Bauchdecke sollte sich dabei deutlich heben und senken. Das tiefe Atmen beruhigt dein Nervensystem und du kommst beim Freewriting besser an dein unterbewusstes Wissen heran.

Und nun legst du los: Du schreibst die Antworten auf deine Fragen auf. Ohne nachzudenken, ohne abzusetzen, ohne auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten und ohne das Geschriebene zu beurteilen. Wenn erst mal nichts kommt, male Kringel oder Schlangenlinien. Und wenn etwas kommt, was dein Verstand aus dem Stand als Quatsch bewertet, lass es trotzdem zu Papier fließen. Da könnte zum Beispiel stehen: „Mehr Wasser trinken.“ Und ganz ehrlich: Ein paar Gläser Wasser am Tag mehr können einen enormen Unterschied in der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit ausmachen.

Ansonsten gibt es natürlich viele weitere Möglichkeiten, einer Schreibblockade vorzubeugen oder sie aufzulösen. Mehr Freewriting-Fragen und einen feinen, wilden Blumenstrauß an Möglichkeiten stellen wir im Workshop „High Energy“ vor. Aber erst hat Stefanie noch einen ebenso einfachen wie tollen Tipp.

Stefanie: Mein Erste-Hilfe-Tipp: Das Schreibumfeld verändern. Wir haben alle unsere Routinen – und das ist gut so. Wenn es aber stockt, kann ein Wechsel des Schreibortes und damit ein Bruch mit der üblichen Routine Wunder wirken.

Bei mir sorgt zum Beispiel der Wechsel von meinem Winterarbeitsplatz im Haus raus in meine Schreibhütte jedes Mal für ein Feuerwerk an Ideen. Plötzlich sehe ich beim Schreiben nicht mehr die Pinnwand mit den üblichen Zetteln vor mir, sondern den alten Apfelbaum und den Gartenschuppen mit der Schubkarre davor. Ich rieche Holz statt Duftkerze und ich höre Vögel zwitschern und Eichhörnchen über das Hüttendach trappeln.

Sich mit anderen Gerüchen und Hintergrundgeräuschen zu umgeben, hilft dem Gehirn auf die Sprünge; der Perspektivwechsel verändert so auch den Blick auf mein Manuskript. Es muss natürlich keine Gartenhütte sein. Bei schönem Wetter lässt es sich auch mal draußen in der Natur schreiben, vielleicht auf einer Parkbank oder auf dem Balkon. In einem Café. Oder auf dem Sofa, im Bett, oder ... Auf jeden Fall den Blick heben und die veränderte Umgebung wahrnehmen.

Was können wir uns unter einer "Recherchereise nach innen" vorstellen, wie ihr sie beim Workshop vorstellen wollt?

Anke: Vorab ist mir wichtig zu sagen: Es gibt nicht nur die eine Recherchereise nach innen, so wie es nicht nur die eine Tour durch Deutschland, Frankreich oder Italien gibt. Im Workshop stelle ich voraussichtlich drei Formen von Reisen vor. Was alle gemeinsam haben, ist: Sie sind eine Form der Selbstbeobachtung und Entdeckung, was unser Körper und unser Unterbewusstsein an Wissen und Erinnerungen gespeichert haben.

Damit es nun endlich konkret wird, stelle ich eine Reisemöglichkeit im Detail vor. Nehmen wir an, du hast eine Romanszene geschrieben oder ein paar Seiten von einem Sachbuch und dein Bauch funkt: „Da stimmt was noch nicht, da fehlt was!“ Aber mit dem Verstand kannst du es einfach nicht greifen! Da ist nur dieses nicht zu fassende Gefühl. Sollte sich diese Situation über Tage ziehen, arbeitest du womöglich erst mal gar nicht mehr an deinem Projekt. Im Idealfall kommt dir dann irgendwann bei einem Spaziergang in den Sinn geschossen, was fehlt. Möchtest (oder kannst) du nicht solange warten, unternimmst direkt eine Innenrecherche. Ich habe sie vorläufig „Handreise“ getauft.

Zum Start der Reise denkst du (an einem ruhigen Ort!) an deine Szene oder die Seiten, mit denen du unzufrieden bist. Als Nächstes reibst du deine Hände kräftig aneinander. Und dann führst du sie mit etwa einem Zentimeter Abstand über deinen Körper. Setze einfach da mit der Fahrt an, wo es dir stimmig erscheint. Und stoppe die Fahrt dort, wo du unter deinen Händen (oder einer Hand) plötzlich etwas stärker als sonst wahrnimmst oder du etwas für dich Besonderes bemerkst. (Manche wissen auch sofort, wo die Hand hinmuss und brauchen keine Fahrt …) Was du spürst kann eine Verspannung sein, ein Ziepen, ein Kribbeln, ein Kitzeln, ein Druck, eine Weite oder eine wohlige Wärme und vieles mehr. Hier legst du deine Hände ab. Und nun fragst du über eine Hand (oder beide Hände) diese Stelle: „Was fehlt meinem Text noch?“

Atme tief ein und aus. Wie die Antwort kommt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. In manchen kommt ein Gefühl auf. Entweder, es ist das Gefühl, was dem Text noch fehlt oder es ist ein Wegweiser dorthin. Manche sehen spontan ein Bild, einen Erinnnerungsfetzen, eine Farbe, einen Mini-Film. Und das, was sie sehen, eröffnet ihnen, was aktuell fehlt. Wieder andere haben spontan ein Wort, einen Satz oder einen Song im Sinn, mit dem sie weiterarbeiten können. Eine Autorin, mit der ich arbeiten durfte, hörte innerlich Ed Sheeran singen „I’m in love with the shape of you“. Was ihrem Text fehlte, war der Aspekt der Selbstliebe.

HohnGasch Akademie1

 

 

 

Mehr erfährst du am 7. Mai ab 17 Uhr im Workshop „High Energy: Von der Schreibblockade in den Flow“. Teilnahmegebühr: 29,50 Euro. Achtung: Begrenzte Teilnahme und ausnahmsweise keine Aufzeichnung. Weitere Infos und Buchung unter: Akademie

Stefanie ist …

Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin für literarisches Übersetzen und kreatives Schreiben. Ich verstehe mich als Brückenbauerin zwischen Sprachen und Kulturen, zwischen inneren und äußeren Welten. Meine Romane handeln von Menschen, die über sich hinauswachsen, Menschen, die eine Begabung haben, oder sie erst noch entdecken müssen. Und mit meiner Arbeit als Schreibcoach möchte ich Schreibende darin unterstützen, in ihrer Begabung über sich hinauszuwachsen. www.zeilenraum.de

 

Anke ist …

Bilderbuchautorin, Chefredakteurin der Federwelt, Schreibberaterin und Mitgründerin von Für Neues. Seit ich selbst knapp an einem Burnout vorbeigeschliddert bin, ist es meine Mission, (schreibende) Menschen dabei zu unterstützen, auf die Signale ihres Körpers zu hören, gut für sich zu sorgen und so in ihre volle Kraft und Kreativität zu kommen. Wer sofort mit der Selbstbeobachtung und Selbstfürsorge loslegen möchte, den lade ich herzlich in meine nicht-öffentliche LinkedIn-Gruppe ein, wo ich regelmäßig Inhalte zum Thema teile: https://www.linkedin.com/groups/13160658/

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